Text und Bild: Hans Conrad; Januar 2020
Einführung
Dieser Name bezeichnet eine Gesteinsformation am Ende des Perm, einem Zeitalter am Schluss des Erdaltertums (290 – 250 Millionen Jahre). Die damaligen Gebirge in Wüstengebieten auf dem Kontinent Pangäa waren der Verwitterung durch grosse Temperaturunterschiede und Winde ausgesetzt. Die Verwitterungsprodukte wurden durch unregelmässig Wasser führende Flüsse aus Bergen und von benachbarten Vulkanen in nahe gelegenen Wüstenbecken abgelagert. Später wurden daraus neue Gesteine. Diese Wüstenbecken befanden sich noch auf dem grossen Kontinent Pangäa, so ungefähr am südlichen Rand eines künftigen Kontinentes Europa (Eurasien) und etwa auf der Höhe des Äquators.
Die Ausdehnung der Becken war unterschiedlich gross. Das „Glarnerbecken“ umfasste ca. 340 km2 und war bis zu 1000 m tief. Ähnliche Ablagerungsphänomene lassen sich auch heute noch beobachten: Kalifornien, Sahara, Oman.
Heute hören wir oft von Unfällen und Todesfällen, wenn sich Touristen in solchen Gebieten aufhalten und durch einen Ruckregen überrascht werden. Bergtäler, Wadis und Ähnliches werden so nach überraschend eintretenden Regenfällen mit den Verwitterungsprodukten ausgespült.
Entsprechend der Entstehung finden sich ganz verschiedene Gesteine im Verrucano: sehr grobe Konglomerate bis Brekzien, Tonschiefer, Vulkanite. Die Glarner Hauptüberschiebung präsentiert die Verrucanoformation wohl am Schönsten. Zusätzlich liegen die Verrucanoschichten der Glarner Hauptüberschiebung auf jüngeren Gesteinen, auf Kalken aus Kreide oder Jura und vor allem auf Flyschgesteinen (45 – 35 Mill.)
Sind Sie interessiert zu erfahren, wie die Verrucanowüste ins Chrauchtal (GL), auf den Pizol (SG) oder nach Ilanz (GR) geraten ist, dann nehmen Sie doch an einer Führung teil oder fragen Sie nach einem geologischen Spaziergang, einer Wanderung oder einem Vortrag.
Das Gestein
Der Name Verrucano stammt von rötlichen Gesteinsabfolgen in der Toscana. Schweizer Geologen haben im 19. Jahrhundert den Namen für die uns heute in den Schweizeralpen, z.B. in den Glarneralpen, bekannte Gesteinsformation übernommen. Ausser einer gewissen Ähnlichkeit im Aussehen der beiden Gesteine besteht keine geologische Verwandtschaft. Die Gesteine des Verrucanos der Alpen sind zu Stein gewordene Verwitterungsprodukte alter Gebirge (Variszische Gebirge) des Kontinentes Pangäa. Zu diesen alten Gebirgen gehörten offenbar auch regionale Vulkane – Basalte, Porphyre oder Reste von Aschelagen zeugen davon.
Als typischer Verrucano wird oft eine rote Brekzie (Glarnerland, Murgtal) betrachtet. Auf Grund der Ablagerung der Bausteine des Verrucanogesteins als Flussedimente in die Wüstenbecken gab es eine Entmischung nach Korngrösse. Bis Meter grosse Blöcke, mittlere runde und eckige Gesteine und Zentimeter grosse Stücke wurden nicht weitab von den Orten, wo sie verwittert waren, abgelagert. Kleine Bruchstücke, Sande und winzige Tonplättchen wurden weiter in die Becken hinaus getragen und dort abgelagert. Sozusagen aus der „geologischen Gegenwart“, den Eiszeiten: Rote Gesteine, Verwitterungsprodukte von Brekzien durch die Gletscher aus dem Glarnerland weit ins Züribiet hinunter geschleift. Sie sind dort unter dem Namen Rote Ackersteine bekannt.
Im südlichen Teil des heutigen Verrucanogebietes der Glarner Hauptüberschiebung sind die Gesteine vorwiegend grünlich bis sehr hellgrün und teilweise metamorph verschiefert. Typisch sind sie etwa am Pizol, Foostock, den Tschingelhörnern oder am Piz Sardona. Die grünliche Farbe stammt von einem späteren Wechsel der roten Eisen(III)verbindungen in neue Mineralien mit grünlichen Eisen(II)verbindungen. Das Eisen(III) ist zu Eisen(II) reduziert worden. Der Grund für diesen Vorgang ist wie manches in der Natur nicht eindeutig einer einzigen Ursache zuzuweisen.
Die Gesteine des Verrucano sind zur Hauptsache Silikate, also aus siliziumhaltigen Mineralien aufgebaut. Bei der Verwitterung und der folgenden Bodenbildung entstehen Böden, die eine saure Reaktion zeigen (pH Werte unter 6.5). Viele Pflanzen sind bei ihrer Besiedlung von Lebensraum wählerisch, so gibt es neben eher indifferenten Arten viele andere Arten, die sehr wählerisch sind auf pH-Werte der Böden. Mit dem pH-Wert sind auch andere chemische Eigenschaften von Böden gekoppelt.
Das Zeitalter des Perm (290 – 251 Millionen Jahre vor heute)
Perm: Das ist eine Stadt und eine Provinz in Russland, im Vorland des Urals. Bezeichnungen für Erdzeitalter und auch andere Fakten in der Geologie werden manchmal nach Orten oder Landschaften benannt. Das rührt daher, dass dort für eine bestimmte Zeit typische geologische Phänomene, wie z.B. typische Ablagerungsabfolgen vorhanden sind und oft auch eine Erstbeschreibung der entsprechenden geologischen Fakten in diesem Gebiet gemacht wurde.
Ganz ähnlich ist es beispielsweise für den Namen Jura. Die ursprüngliche Bezeichnung „Jura“ ist die uns allen bekannte geografische Region in der Schweiz und in Frankreich. Dort finden sich typische Ablagerungsabfolgen von Kalken und Mergeln aus dem von Geologen benannten Jurameer der Tethys. Und schliesslich bezeichnet Jura den erdgeschichtlichen Abschnitt mit den Ablagerungsfolgen auf allen Kontinenten im Erdmittelalter (Mesozoikum) von 206 bis 142 Millionen Jahren vor heute. Man sieht daran, dass von den Kalken der Alpen und des Juras im Perm noch nichts vorhanden war. Das Perm ist der letzte erdgeschichtliche Abschnitt im Erdaltertum (Paläozoikum). Gegen Ende dieser Zeit wurde der Superkontinent Pangäa mit dem Anschluss vom damaligen Sibirien und der Bildung des Urals fertig zusammen geschweisst. Nur Südostasien kollidierte etwas später an Pangäa.
Nahe dem Äquator lagen damals das Gotthardmassiv und das Aaremassiv. Allerdings durch die über Millionen von Jahren wirksame Verwitterung und Erosion ziemlich eingeebnet. Am Südrand eines künftigen Europas gab es Ende des Perms , im „Verrucano“, eine ganze Reihe von Trögen in Wüsten, die mit Verwitterungsmaterial von alten Gebirgen aufgefüllt wurden. Darin finden sich heute oft viele Gesteine aus vulkanischer Tätigkeit, die damals regional bedeutend sein mussten.
Ein grosses Becken war das „Glarnerbecken“, wo der uns bekannte Verrucano entstand. Ein anderer grösserer Bereich ähnlicher Ablagerungen ist in den Dolomiten, die Grödner Formation, sozusagen der Verrucano der Dolomiten. Während sich die meisten dieser permischen Ablagerungen heute in normaler Lage, nämlich überschichtet von jüngeren Gesteinen, präsentieren, liegen jene des „Glarnerbeckens“ über jüngeren Gesteinsschichten – Kreide und vor allem Flysch. Das können wir an verschiedenen Orten sehr schön sehen, z.B. auf Führungen in Flims, am Pizol, im Weisstannental, in Elm usw.
Im Perm bestanden auf dem Grosskontinent Pangäa grosse klimatische Unterschiede mit kleinräumigen Extremen. Sehr bedeutend war auch die grosse Vereisung im Süden der Erde. Am Ende des Perms fand das grösste Massenaussterben der Erdgeschichte statt. Vor allem betroffen waren die Landwirbeltiere und die Meeresfauna. Grosse Gruppen von Korallenfamilien, die Trilobiten, die Fusulinen (charakterische Grossforaminiferen) und vieles anderes mehr starben aus. Die Ammoniten starben auch beinahe aus. Sie erholten sich wieder im Mesozoikum (Erdmittelalter) und wurden zu einer dominanten Tiergruppe bis zum Ende der Kreidezeit (weiteres grosses Massenaussterben). Ende des Perms oder zu Beginn des Erdmittelalters, in der Trias, wurden bedeutende Teile des Grosskontinentes Pangäa vom Meer eingenommen. Dann begann für unser Gebiet und auch für die damaligen Wüstenbecken, auch für das „Glarnerbecken“, eine fast 200 Millionen Jahre marine Ablagerungsgeschichte bis zum Ende der Kreidezeit. Einige Kilometer dicke Sedimente bedeckten mit der Zeit den Verrucano.
Literatur:
Historical Atlas oft he Earth, R. Osborne, D. Tarling; Viking
Geologie der Alpen, O. A. Pfiffner; utb
Historische Geologie, S. M. Stanley; Spektrum
Evolution der Erde, W. Oschmann; utb
Plattentektonik, W. Frisch, M. Meschede; Primus